21.10.2024 | Für den ersten Eindruck gibt es keine zweite Chance - aber auch bei der zweiten Zusammenkunft einen weiteren bewussten Fehltritt hinzulegen, ist eine Provokation. „Zu wenig, zu spät, zu lang, zu unkonkret“, so kann die zweite Verhandlungsrunde zwischen der IG Metall und dem Arbeitgeberverband NiedersachsenMetall und insbesondere das Angebot der Arbeitgeber zusammengefasst werden.
Vor der Verhandlung in Hannover haben mehr als 500 Metallerinnen und Metaller ein lautstarkes Zeichen an die Arbeitgeberseite gesendet, dass diese sich endlich am Verhandlungstisch bewegen müssen, denn in der ersten Zusammenkunft verweilten diese im Schweigen und legten keine eigenen Vorstellungen für die Tarifrunde 2024 vor.
Zumindest hier gab es nun ein wenig Bewegung: Während die IG Metall eine Entgelterhöhung von 7 Prozent für 12 Monate sowie 170 Euro mehr für die Auszubildenden fordert, bieten die Arbeitgeber nur Miniprozente bei Maximallaufzeit –wenn es nach der Arbeitgeberseite geht, sollen Entgeltsteigerungen mit 1,7 Prozent zum 1. Juli 2025 und weiteren 1,9 Prozent zum 1. Juli 2026 erfolgen, bei einer Tarifvertragslaufzeit von 27 Monaten. Im Gegenzug wollen die Arbeitgeber mehr und entfristete Differenzierungsmöglichkeiten. Ob bei der Ausbildungsvergütung Einigkeit besteht, ist weiter offen – zwar sind die Arbeitgeber durchaus bereit eine überproportionale Anhebung dieser vorzunehmen, was dies konkret bedeutet, da bleiben sie allerdings im Vagen. Dementsprechend wies die IG Metall das Angebot der Gegenseite zurück und rief den Arbeitgeberverband zur schnellen Nachbesserung auf.
Thorsten Gröger, Verhandlungsführer der IG Metall in Niedersachsen, kommentierte den Verhandlungsverlauf: „Die vorgelegten Vorschläge der Arbeitgeberseite entsprechen nicht den gestellten Anforderungen der Tarifrunde. Die angebotenen Konditionen sind weder angemessen noch dazu geeignet, die Herausforderungen, denen sich die Beschäftigten gegenübersehen, wirksam anzugehen. Wenn man etwas positiv hervorheben will, dann dass die Arbeitgeber in dieser Tarifrunde zumindest nicht elendig lange gewartet haben, bis sie uns ein Angebot präsentiert haben – das ist anders als 2022.“ Der Metaller betont: „Das Angebot der Arbeitgeber bleibt weit hinter dem zurück, was notwendig ist, um die wirtschaftliche Stabilität der Beschäftigten und damit auch die der gesamten Branche zu gewährleisten. Das Volumen ist zu gering, die Entgelterhöhungen kommen zu spät, die Laufzeit ist zu lang und nicht zuletzt bleibt über den Auszubildendenvergütungen ein Schleier der Unwissenheit. Die vorgeschlagenen Maßnahmen sind ein Tropfen auf einem kochend heißen Stein und genügen nicht, um die Inflationsbelastungen der letzten Jahre abzufedern und die Attraktivität der Branche – insbesondere für den Nachwuchs – nachhaltig zu sichern.“
Die Arbeitgeberseite übte sich in der rund zwei Stunden andauernden Verhandlung ihrem bewährten Klagelied der gestiegenen Preise. Die Beschäftigten-Perspektive wurde dabei weitgehend außer Acht gelassen, dabei sind sie es, deren Preise massiv gestiegen sind - ob im Supermarkt, bei der Wohnungssuche oder den Energiepreisen. Und diese Kostenexplosion können sie, anders als der Großteil der Industrie, nicht weiter reichen. Die Rolle des privaten Konsums für ein kräftiges Wirtschaftswachstum klammerte der Arbeitgeberverband ebenfalls aus - dabei preisen die Wirtschaftsinstitute die Erhöhung von Entgelten in ihren Wachstumsprognosen ein. Ohne droht weiterer Stillstand.
Immer wieder führen die Arbeitgeber zudem die gestiegenen Arbeitskosten an. Ein Verweis auf die Fakten zeigt jedoch: Der Lohnkostenanteil in der Metall- und Elektroindustrie liegt für das Jahr 2023 bei 16,1 % - damit weilt dieser sogar unter dem Niveau von 2013 (17,6 %) und ist gegenüber 2020 sogar 3 Prozent niedriger.
Bereits bei der ersten Zusammenkunft hat die IG Metall deutlich gemacht, dass eine rasche und angemessene Reaktion der Arbeitgeber erforderlich ist, um einen konstruktiven Verhandlungsprozess sicherzustellen. „Die erste Verwarnung haben die Arbeitgeber nicht verstanden, nun gibt’s die gelbe Karte - wir werden das Eskalationsszenario vorbereiten und am Mittwoch die Entscheidung über kommende Warnstreiks treffen. Unsere Kolleginnen und Kollegen haben keine Lust darauf, dass ihre Forderungen auf die lange Bank geschoben werden - sie werden, wenn nötig, vor dem Betrieb die richtige Antwort finden, um den notwendigen Druck für den Verhandlungstisch zu erzeugen. Die Arbeitgeber müssen nun nachsitzen und ihre Hausaufgaben machen!“
Die nächste Verhandlung findet in Niedersachsen am 29. Oktober statt. An selbigen Tag sind bereits ab 00:01 Uhr möglich, nachdem am Vortag die Friedenspflicht ausgelaufen ist.
(Pressemitteilung des IG Metall-Bezirks Niedersachsen und Sachsen-Anhalt)