Warnstreik bei der Peiner Träger GmbH: IG Metall bereitet alle Eskalationsstufen vor

07.06.2022 | In der Tarifrunde für die nordwestdeutsche Eisen- und Stahlindustrie kam es heute zu einem ersten Warnstreik bei der Peiner Träger GmbH. Nachdem die Arbeitgeber in der zweiten Verhandlung kein neues Angebot vorgelegt hatten, das eine dauerhaft wirkende Erhöhung der monatlichen Entgelte beinhaltet, beschloss die Tarifkommission einstimmig vor die Tore zu gehen.

Von 786 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im Mehrschichtsystem beteiligten sich rund 400 Beschäftigte von der Peiner Trägergesellschaft am Warnstreik. Darüber hinaus waren Aktive aus sich solidarisierenden Betrieben, wie von der VPS Verkehrsbetriebe Peine-Salzgitter GmbH, der Deutschen Erz- und Metall-Union GmbH und der Ilsenburger Grobblech GmbH sowie der Salzgitter Flachstahl GmbH mit dabei.

Die IG Metall fordert für die rd. 68.000 Beschäftigten der nordwestdeutschen Eisen- und Stahlindustrie eine Erhöhung der Monatsentgelte um 8,2 Prozent bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Schließlich verdient die Stahlbranche gerade gutes Geld. Darüber hinaus sollen die Tarifverträge zur Altersteilzeit, über den Einsatz von Werkverträgen und zur Beschäftigungssicherung verlängert werden. Einstimmig wurde das Forderungspaket von der mehr als hundertköpfigen Tarifkom­mission beschlossen.

Es war eine turbulente und intensive De­batte, bei der klar wurde: „Die For­derung könnte noch höher ausfallen, denn die meisten Stahlunternehmen machen gerade Geld ohne Ende. Gerade erst hat die Peiner Trägergesellschaft ihre Gewinnerwartung für Mai nach oben geschraubt. Und bereits jetzt ist das Halbjahresergebnis aus 2021 mit 70 Millionen bereits weit übertroffen. Unser Unternehmen steht vor einem historisch einmaligen Ergebnis", berich­tet Gabriele Handke, Betriebsratsvorsitzende der Peiner Träger GmbH. Ein Grund: Die Preise für Stahlprodukte sind stark gestiegen. „Wir verkaufen unse­re Träger nicht - wir vertreiben sie derzeit an Höchstbietende“.
„Deshalb sind die 8,2 Prozent als Forderungsempfehlung für uns unterste Kante“, sagt Torsten Gutsmann, Stellv. Betriebsratsvorsitzender der Peiner Träger GmbH.  „Die Leute spüren die gestiegenen Kosten und machen sich Sorgen. Wir werden eine solche Forderung mittragen, aber am Ende dieser Tarifrunde muss auch wirklich gutes Geld bei den Kolleginnen und Kollegen ankommen. Dafür sind wir bereit zu kämpfen. Wir werden es krachen lassen, das verspreche ich.“

Unterm Strich sei die beschlossene Forderungsempfehlung an­gemessen, sagt Frank Raabe-Lindemann von der IG Metall Salzgitter-Peine. „Die Forderung spiegelt die sehr differenzierte, aber insgesamt gute Lage in der Branche wider.“ Mit 8,2 Prozent fiele die Forderung deutlich höher aus als in vergangenen Jahren. Eine Forderung mit einer 8 vor dem Komma hat die IG Metall für die Stahlindustrie zuletzt im Jahr 2008 erhoben. „Wir haben die Stahlbranche im letzten Jahr mit einem verantwortlichen Krisenabschluss gut durch die Pandemie gebracht. Denn wir haben in der Corona-Krise eine sehr verantwortliche Tarifpolitik be­trieben“, betont der Gewerkschaftssekretär. „Diese Verant­wortung erwarten wir jetzt auch von den Arbeitgebern. Die Beschäftigten brauchen soziale Sicherheit - und das heißt mehr Geld.“ Die letzte tabellenwirksame Er­höhung gab es in der Stahlindustrie im Jahr 2019. Eine Einmalzahlung werde die IG Metall diesmal nicht akzeptieren. „Das kommt für uns nicht in Frage.“

Die IG Metall fordert 8,2 Prozent. Die Arbeitgeber hatten in der ersten Verhandlung – am 13. Mai – 2.100 Euro als Einmalzahlung angeboten. Die IG Metall hat dieses Angebot als in Struktur und Volumen völlig unzureichend zurückgewiesen und die Arbeitgeber aufgefordert, ein Angebot vorzulegen, das eine dauerhaft wirkende Erhöhung der monatlichen Entgelte beinhaltet. Dazu waren die Arbeitgeber nicht bereit. Raabe-Lindemann weist darauf hin, dass am 10. Juni in der dritten Verhandlungsrunde die Chance für die Arbeitgeber besteht, die Tarifrunde abzuschließen. „Mit dem Angebot einer Einmalzahlung ist die Eskalation des Konfliktes jedoch vorprogrammiert. Dafür tragen dann die Arbeitgeber die Verantwortung.“

„Die Verärgerung über die Verweigerungshaltung der Arbeitgeber ist groß“, sagt Nils Knierim, Vertrauenskörperleiter der Salzgitter Flachstahl GmbH: „Die Stahlbranche hat seit Monaten volle Auftragsbücher und die Gewinne sprudeln. Die Beschäftigten haben teilweise mit Extraschichten ihren Beitrag dazu geleistet, dass jetzt richtig viel Geld in der Branche verdient werden kann. Darum erwarten die Beschäftigten zu Recht, dass sie angemessen an der guten Geschäftsentwicklung beteiligt werden. Es ist an der Zeit, dass die Arbeitgeber angesichts der steigenden Inflation mit einer guten Entgelterhöhung soziale Verantwortung gegenüber den Beschäftigten übernehmen und nicht, dass sie mit einer Einmalzahlung abgespeist werden. Es braucht eine Erhöhung in der Entgelttabelle. Aber da kam bisher nichts. Das macht die Beschäftigten gerade angesichts der großen Gewinne wütend. Das wurde heute beim Warnstreik deutlich“, so der Gewerkschafter.

Klar ist aber auch: Die Tarifrunde fin­det unter außergewöhnlichen Umständen statt. Über allem schwebt der Krieg in der Ukraine, er sorgt für Verunsicherung auch in den Belegschaften. Damit zeichnet sich ab: Die Tarifrunde Stahl wird in eine harte Auseinanderset­zung mit den Arbeitgebern münden. „Nur mit Fähnchen schwenken werden wir die­ses Ziel nicht erreichen“, erklärt Knierim. Traditionell stellt sich die IG Metall in jeder Tarifrunde auf den äußersten Ernst­fall ein - einen unbefristeten Streik. Oft­mals erzeugen Warnstreiks ausreichend Druck. Ob Warnstreiks dieses Mal reichen? „Wir bereiten alle Eskalationsstufen vor“, sagt Knierim, „ich betone: alle!“

Weiterer Zeitplan:

13.05.2022: Erste Verhandlung mit den Arbeitgebern

23.05.2022: Zweite Verhandlung

31.05.2022: Ende der Friedenspflicht

10.06.2022: Dritte Verhandlung