Tarifrunde Stahl 2022

Stahl- und Eisentarifrunde 2022 kocht hoch – Rund 3000 Beschäftigte bei Warnstreik vor Toren der Salzgitter AG

01.06.2022 | Stahl ist Zukunft - das ist nicht nur ein Slogan, sondern die tiefe Überzeugung der IG Metall. In der laufenden Tarifrunde der Eisen- und Stahlindustrie zeigt sich jedoch: Die Arbeitgeber tragen bisher nicht zu dieser Zukunft bei. Thorsten Gröger, IG Metall-Bezirksleiter Niedersachsen und Sachsen-Anhalt, unterstreicht in seiner Warnstreikrede vor rund 3000 Teilnehmenden vor den Toren der Salzgitter AG am 1. Juni: "Die Verweigerungshaltung der Arbeitgeber in den letzten zwei Verhandlungsrunden führte dazu, dass wir heute im Arbeitskampf sind."

IG Metall-Bezirksleiter Thorsten Gröger: "Es ist an der Zeit, dass die Arbeitgeber angesichts der steigenden Inflation mit einer guten Entgelterhöhung soziale Verantwortung übernehmen."

Gröger weiter: "Es braucht nachhaltige Entgelterhöhungen - die Kolleginnen und Kollegen warten darauf, dass sich die Tabelle erhöht! Die Arbeitgeberseite hat die Fronten unnötig verhärtet, kennt hinlänglich unsere Forderung und lässt den Konflikt bewusst eskalieren. Obwohl die wirtschaftlichen Aussichten und Ergebnisse in vielen Teilen der Stahlindustrie gut aussehen, stellen sich die Arbeitgeber bislang stur. Diese Blockadehaltung werden wir aufbrechen – heute ist nur der Anfang!"

Die stark steigenden Verbraucher- und Energiepreise wirken sich spürbar auf die Geldbeutel der Beschäftigten aus. "Die hohe Inflationsrate ist ein echter Wohlstandsvernichter und belastet vor allem kleinere und mittlere Einkommen spürbar. Zurecht fordern wir eine Entgelterhöhung von 8,2 Prozent mehr – das ist der Lage, aber auch der wirtschaftlichen Situation des Gros der Betriebe angemessen.", so Gröger.  

Die IG Metall fordert in der Tarifrunde 8,2 Prozent. Darüber hinaus sollen die Tarifverträge zur Altersteilzeit, über den Einsatz von Werkverträgen und zur Beschäftigungssicherung für die rund 68 000 Beschäftigten verlängert werden. Die Arbeitgeber hatten in der ersten Verhandlung 2100 Euro Einmalzahlung angeboten. Die IG Metall hat dieses Angebot als in Struktur und Volumen völlig unzureichend zurückgewiesen und die Arbeitgeber aufgefordert, ein Angebot vorzulegen, das eine dauerhaft wirkende Erhöhung der monatlichen Entgelte beinhaltet. Dazu waren die Arbeitgeber bis heute nicht bereit.  

Tarifpolitik alleine kann die Lücke in den Portemonnaies der Beschäftigten nicht auffangen, deswegen hat die IG Metall klare Entlastungen von der Politik für die Arbeitnehmer*innen im Land gefordert. Dennoch könne gerade die Stahlbranche dank ihrer stabilen Branchenkonjunktur und der hohen Gewinne einen weiteren "Ausgleichbeitrag im Sinne der Beschäftigten leisten. Sie sind der Motor, der die Stahlindustrie vorantreibt. Ohne sie ständen die Hochöfen in der Republik still. Dahingehend sind sie der Gewinntreiber der Unternehmen!", so der Gewerkschafter.  Gröger wies darauf hin, dass die IG Metall die Stahlbranche im letzten Jahr mit einem verantwortlichen Krisenabschluss gut durch die Pandemie gebracht habe und die Beschäftigten teilweise mit Extraschichten ihren Beitrag dazu geleistet hätten, dass jetzt richtig viel Geld in der Branche verdient werden könne. "Nun ist es an der Zeit, dass die Arbeitgeber angesichts der steigenden Inflation mit einer guten Entgelterhöhung soziale Verantwortung gegenüber den Beschäftigten übernehmen. Darum reicht eine Einmalzahlung nicht. Es braucht eine ordentliche Erhöhung in der Entgelttabelle!"

Anders als die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer kann die Stahlindustrie die gesteigerten Kosten bisher weitestgehend in Form höherer Stahlpreise an die Kunden weitergeben. So lag der Preis für Warmband pro Tonne am 18. April 2022 bei 1351 Euro. Am 23. Februar, einen Tag vor Kriegsausbruch, lag der Preis noch bei 965 Euro. Auch aufgrund dieser Entwicklung haben einige Stahlkonzerne ihre Ergebnisprognose für das Jahr 2022 angehoben. Insgesamt sei die Lage in der Eisen- und Stahlindustrie sehr stabil und mitunter gar exzellent. Die Umsätze der Eisen- und Stahlindustrie haben sich nach dem Krisenjahr 2020, in dem 26,6 Milliarden Euro erwirtschaftet wurden, massiv erhöht. Im Jahr 2021 sind es mit 36,1 insgesamt rund 10 Milliarden Euro mehr an Umsatz, den ihr für die Betriebe erzielt habt.   

So konnte die Salzgitter AG im ersten Quartal 2022 fast eine Verfünffachung des Konzerngewinns erzielen – fast 370 Millionen Euro statt 76,6 Millionen Euro im Vorjahr. 2021 konnte im Gesamtjahr ein Konzerngewinn von 706 Millionen Euro vor Steuern erzielt werden. "Allein das erste Quartal der Salzgitter AG zeigt, wohin die Reise geht. Wir sagen klar: Nicht nur die Aktionäre sollten von der guten Entwicklung, wie bei der Salzgitter AG, profitieren. Sondern vor allem all jene Beschäftigte, die täglich hart und unermüdlich für die Unternehmen der Branche arbeiten!", so der Metaller weiter.  

Nils Knierim, Vertrauenskörperleiter der Salzgitter Flachstahl GmbH und Mitglied der IG Metall-Verhandlungskommission, unterstreicht: "Die Inflation erreicht schwindelerregende Höhen. Ob an der Zapfsäule, dem Lebensmittelregal im Supermarkt oder beim Blick auf die Heizkostenabrechnung: Überall schnellen die Preise in die Höhe und explodieren. Ja, auch Unternehmen haben mit den Energiekosten oder Rohstoffpreisen zu kämpfen und sind belastet. Doch die meisten Unternehmen schaffen es mit Bravour, die Preise an den Endverbraucher, also letztlich die Beschäftigten, weiterzugeben. An wen sollen bitte Beschäftigte die Kosten der Inflation weitergeben? Das geht nicht. Privathaushalte müssen schon jetzt deutlich mehr Kosten als im Vorjahr schultern, allen voran für Haushaltsenergie und Kraftstoffe. Es muss klar sein, dass diejenigen, die den Unternehmen die Profite in die Taschen spülen, auch von den Gewinnen profitieren!"

Die nächste Verhandlungsrunde findet am 10. Juni statt. In der westdeutschen Stahlindustrie verhandelt die IG Metall für rund 68.000 Beschäftigte. Die Tarifrunde findet zeitgleich in der ostdeutschen Stahl- und Eisenindustrie statt.