Niedersächische Bildungspolitik – zurück in die fünfziger Jahre!

24.03.2009 | Der DGB fordert die niedersächsische Landesregierung auf, endlich Chancengleichheit durch Bildung in den Focus zu nehmen und Abschied zu nehmen vom dreigliedrigen Schul-system.

Der DGB weist schon seit Jahren darauf hin, dass Chancengleichheit durch Bildung nur dann erreicht werden kann, wenn die Kinder und Jugendlichen möglichst lange - mindestens 10 Jahre - gemeinsam die Schule besuchen.

 

Mit dem lapidaren Satz "Alle Gesamtschulen mit gymnasialer Oberstufe sollen ab 2018 die Allgemeine Hochschulreife nach zwölf Schuljahren vergeben. Für die SchülerInnen mit gymnasialem Leistungsniveau wird über eine entsprechende Ausgestaltung des Wahlpflicht-unterrichts der Erwerb der Allgemeinen Hochschulreife nach zwölf Schuljahren sicherge-stellt" will die Landesregierung schon ab 2010 die integrierten Gesamtschulen zerstören.

Der "Roll-back" der Landesregierung ist ein Skandal, da er nicht sieht, dass in einer modernen Gesellschaft Eltern über den Bildungsweg ihrer Kinder frei entscheiden wollen, und Wirtschaft auf qualifizierte Menschen mehr denn je angewiesen ist. Die vielen Fenster-reden zur wichtigsten Ressource "Bildung" in unserer Bildungsgesellschaft, werden offensichtlich von denen die sie halten nicht ernst genommen.

Bisher konnten die Schülerinnen und Schüler an den integrierten Gesamtschulen überwie-gend gemeinsam unterrichtet werden. Dies ist das entscheidende Geheimnis für die Erfolge, z. B. beim "Deutschen Schulpreis". Aus der Laudatio. am 11. Dezember 2006 als der IGS Franzsches Feld in Braunschweig der 2. Preise des Deutschen Schulpreises verliehen wurde:

"Die IGS Franzsches Feld bietet lebendige Anschauung dafür, wie eine humane Leistungs-gesellschaft aussehen könnte, und wie gut es Jung und Alt dabei geht, weil es gelingt, unter-schiedliche anspruchsvolle Ziele zugleich zu verfolgen: Die Entfaltung individueller Fähigkeiten, aber auch Verantwortung für gemeinsame Aufgaben, für Schwächere oder Jüngere, entschiedenes Leistungsstreben, aber auch die tätige Sorge dafür, dass niemand verloren geht und dass nicht durch die Herkunft über die Zukunft entschieden wird.

Wie das geht? Durch eine ausbalancierte Mischung aus innerer und äußerer Differenzierung, durch lerndiagnostische Begleitung und Förderung, durch regelmäßige Evaluation, durch ausgewogene Arbeitseinheiten. Dazu gehören aber auch die Lehrerfortbildung, die Partner-schaft mit anderen pädagogischen Experten und mit Spitzenleuten und Institutionen aus Wirtschaft, Sport, Kunst oder Wissenschaft.

Die IGS Franzsches Feld erscheint auf so selbstverständliche und grundlegende Weise leistungsstark und demokratisch, dass man übersehen könnte, was dahinter steckt: pädagogische Professionalität."

Werden die leistungsstarken Schüler durch "eine entsprechende Ausgestaltung des Wahlpflichtunterrichts" ausgesondert, wird ein notwendiges soziales Milieu mit entsprechenden Entwicklungsbedingungen zerstört. Diese Bedingungen und Möglichkeiten sind aber für einen optimalen Lern- und Reifungsprozess mit sozial festgelegten Verhaltens- und Erlebensweisen, die innerhalb einer Lerngruppe wirken, für alle Kinder unabdingbar. Hier ist ein Prinzip für ein erfolgreiches Bildungssystem zu finden.

Die Landesregierung will ein "ständisches Schulwesen" (Rita Süssmuth) erhalten in dem "ein Kind aus einer Facharbeiterfamilie im Vergleich zu dem Kind eines Akademikerpaares nur ein Viertel der Chancen hat aufs Gymnasium zu kommen" (Bundespräsident Horst Köhler). Ein Schulsystem, dass "um einer angestrebten Homogenität willen wie eine Kombination von Hackbrett und Presse funktioniert, das unten abschneidet und oben deckelt", wie Bischof Dr. Wolfgang Huber es drastisch ausdrückt, er fährt fort: "Ohne Chance auf Entfaltung ihrer Talente reicht man sie weiter, genauer gesagt, man reicht sie tiefer. Die Abgeschnittenen werden zur gesellschaftlichen Resteverwertung vorzugsweise in Restschulen komprimiert."

Die Gesamtschulen stehen völlig quer zu diesem Bild, sie sortieren nicht Menschen nach Schulformen, sondern vergeben Abschlüsse nach Leistungen an sinnvollen Schnittstellen der Schulausbildung und begleiten die Lernenden konstruktiv, so dass viele einen hochwertigen Abschluss erhalten und zusätzlich noch in der Persönlichkeitsentwicklung gestärkt werden – das ärgert die ewig Gestrigen. Da kann es PISA-Studien, einen UNO-Menschenrechtsbericht und einen Deutschen Schulpreis geben, die dem dreigliedrigen System bescheinigen, dass es nicht effektiver ist, dass es nicht in der Lage ist, die Schüler angemessen nach der vierten Klasse in drei Schulformen aufzuteilen, dass es nicht den Menschrechtskonventionen entspricht.

Auch die Aussage, wer nach dreizehn Jahren Abitur haben will, soll auf die Realschule gehen und dann auf ein Fachgymnasium, verdeutlicht die Orientierung der Landesregierung: Wer auf der Hauptschule ist, soll gefälligst nicht nach Höherem streben, Abitur macht man auf dem "richtigen" Gymnasium in 8 Jahren. Nichts mit Durchlässigkeit (höchstens nach unten) und die Gesellschaft schön sortiert in Schulformen.

Wenn die Regierung sich mit ihrem Vorhaben durchsetzt, wird es in Niedersachsen keine Integrierten Gesamtschulen mehr geben!

Der DGB in der Region SüdOstNiedersachsen wird gemeinsam mit Eltern, SchülerInnen, LehrerInnen, SchulleiterInnen mit aller Kraft versuchen, dieses ideologisch motivierte, menschenverachtende Vorhaben der Landesregierung zu stoppen.

Pressemitteilung des DGB Region SüdOstNiedersachsen, Wilhelmstraße 5, 38100 Braunschweig,  Tel.: 0531/48096-0, Fax: 0531/48096-17, eMail: braunschweigdon't want spam(at)dgb.de