Neustart mit Corona – wirtschaftlicher Totalschaden oder geht’s voran?

13.07.2020 | Mit dieser Frage beschäftigten sich ca. 80 Teilnehmer*innen einer abendlichen Videokonferenz der IG Metall Geschäftsstellen in SüdOstNiedersachsen (Braunschweig, Salzgitter-Peine und Wolfsburg) am 08.07.2020.

Achim Truger

Thorsten Gröger

Prof. Dr. Achim Truger, Mitglied im Sachverständigenrat der Bundesregierung zur Begutachtung der wirtschaftlichen Entwicklung (Lehrstuhl der Sozialökonomie, Uni Duisburg Essen), und weiterhin Thorsten Gröger, Bezirksleiter der IG Metall Niedersachsen-Sachsen-Anhalt, standen als Referenten und Diskussionspartner für die Teilnehmer*innen zur Verfügung.

Bedauerlicherweise war der dritte Referent, Dr. Christos Pantazis (SPD), Mitglied des niedersächsischen Landtages, kurzfristig krankheitsbedingt verhindert. Seine Einschätzung zur Wirkung der Corona-Hilfs-Maßnahmen in Niedersachsen sowie seine Sicht auf die sich abzeichnenden weiteren Entwicklungen in unserer Automobil- und Exportabhängigen Wirtschaft - gerade in unserer Region - werden versucht, auf einer anderen Veranstaltung in die Debatte einzubringen.

Erörtert wurde, ob das Konjunkturprogramm der Bundesregierung geeignet ist und die gewünschten Wirkungen zeigt, um Beschäftigung zu sichern sowie die Betriebe zu stabilisieren. Aber auch die sozial-ökologische Ausrichtung der Hilfen wurde intensiv von den Teilnehmern und Referenten debattiert. Prof. Dr. Truger schätzte die verabschiedeten sehr hohen Finanziellen Hilfen und weiteren Maßnahmen der Regierung als sehr ausgewogen, angemessen sowie überwiegend sozial richtig akzentuiert ein. Ihre Wirksamkeit könne man jetzt bereits spüren. Keine der politischen Parteien hätte nach neoliberalen Konzepten verlangt – im Gegenteil – der bisherige Kurs der Bundesregierung, des „schwarze 0 Fanatismus“ wäre erfreulich schnell zugunsten von wirtschaftlichen und sozialen Stabilisierungs-Impulsen verlassen worden. Die ökologischen Wirkungen schätzte er als gut und nachhaltig ein. Er zeigte sich zuversichtlich, dass gegebenenfalls nötige Nachjustierungen der Bundesregierung möglich seien, wenn sich abzeichnen würde, dass Wirkungen übersehen worden wären oder Entwicklungen nicht wie gewünscht liefen.

Soziale Sicherung der Beschäftigten in der Krise in Form von Arbeitsplatz- und Entgeltsicherung war das zentrale Thema der Diskussion. Die zum Teil sehr starke Belastung der Familien durch ad hoc Betreuung der Kinder wegen der lang andauernden Schul- und Kita-Schließungen und die Gefahr von Überlastung durch Familie/Beruf sowie drohender Einkommenseinbußen und die überbordende und unangemessen gewürdigte und vergütete Belastung der Medizinischen- sowie Pflege-Berufe wurde ebenfalls thematisiert und missbilligt.

Per Online-Abstimmung wurde den Teilnehmer*innen ermöglicht, ihre Meinung zu einigen der Fragestellungen kundzutun. Die schnelle Umsetzung der beschlossenen Hilfen insbesondere für die Menschen und weiterhin Sicherheit für Gesundheit, Arbeitsplatz und Einkommen wurde von den Teilnehmer*innen eingefordert.

Starke Kritik äußerten die Teilnehmer*innen an der derzeitigen Positionierung und den schlichten Konzepten der Arbeitgeber und ihrer Verbände (Positionspapier Gesamtmetall – Vorschläge für die 2. Und 3. Phase der Corona-Krise). Zusammenfassend enthalten sie ein Roll-Back in neoliberale Strategien die bereits in anderen Volkswirtschaften zu Deregulierung, hoher Arbeitslosigkeit, Sozialabbau und Spaltung der Gesellschaft geführt haben.

Thorsten Gröger fasste die bisherigen Debatten in der IG Metall zusammen: „Die Mitglieder der IG Metall erwarten gerade jetzt, wo Corona die Wirkungen der Transformation, der Digitalisierung, des ökologischen Umbaus der Betriebe und der Gesellschaft deutlich verstärkt, soziale, solidarische und nachhaltige Konzepte, die sowohl Menschen wie auch Betriebe und Gesellschaft voranbringen. Diese stehen nicht im Gegensatz zu ökologischen Maßnahmen – im Gegenteil: sie sollen und werden – richtig umgesetzt – gut zusammen Wirken um unsere Umwelt und die Menschen zu schützen“, machte er deutlich.

Die IG Metall Niedersachsen-Sachsen-Anhalt hat Kernforderungen für ein Vorgehen in dem die Menschen, die Wirtschaft und Gesellschaft gut aus der Krise kommen in ihrem Diskussions- und Aktionspapier “Mit Solidarität und Stärke aus der Krise“ formuliert (siehe unten unter Dateien).

Dieses wird gerade in den IG Metall Gremien diskutiert und enthält auch Prämissen unserer Haltung für die sich abzeichnenden Auseinandersetzung im Herbst bei Beschäftigungsabbauplänen, Sparkonzepten oder anderen gesellschaftlichen Scharmützeln wie z.B. die Rente, das Arbeitsrecht, der Arbeitszeit oder dem Gesundheitschutz - sein.

Thorsten Gröger zeigte sich zuversichtlich, dass die Beschäftigten sich hinter diese Vorschläge stellen und gemeinsam mit der IG Metall in den nächsten Monaten nachhaltige, solidarische Regelungen erreichen werden.

Weitere Veranstaltungen zu Themen aus der Arbeitswelt als Videokonferenzen werden im Herbst angeboten.