»Autohaus der Zukunft«

Arbeitnehmervertreter aus dem Kfz-Handwerk debattieren Beschäftigungsperspektiven

24.05.2022 | Rund 40 Betriebsräte und Gewerkschafterinnen der IG Metall aus Braunschweig und Wolfsburg debattieren auf einer Fachtagung in Braunschweig über die Zukunft der Autohäuser. Aus Gifhorn, Lüneburg sowie aus Hannover nahmen Arbeitnehmervertreter teil, um gemeinsam mit Experten u.a. aus der Branchen- und Tarifpolitik der IG Metall ins Gespräch zu kommen. Ziel ist es, den Wandel der Arbeitswelt mitgestalten zu können.

Foto: Peter Frank, d&d

Dazu bedarf es einer aktiven und qualifizierten Mitbestimmung und Einflussnahme der Arbeitnehmervertreter*innen. Das Kraftfahrzeuggewerbe ist eine bedeutende Branche, nicht nur in der Region SüdOstNiedersachsen. Deutschlandweit arbeiten 439.000 Beschäftigte in 36.600 Werkstätten und Autohäusern. Darüber hinaus ist das Kfz-Gewerbe mit fast 93.000 Auszubildenden eine tragende Säule der beruflichen Bildung. 

Neue Strategien für eine nachhaltige Zukunftssicherung
Eva Stassek, Erste Bevollmächtigte der IG Metall Braunschweig, macht deutlich: „Elektromobilität, autonomes Fahren und vernetzte Mobilität haben die Dynamik, die Autohäuser und das gesamte Kfz-Gewerbe auf den Kopf zu stellen. Digitale Plattformen erobern den Markt und zählen zu den größten Herausforderung für den stationären Autohandel. Der Kauf eines Pkw ganz klassisch im Autohaus hat sich bei Gebrauchtwagen bereits und wird sich künftig auch bei Neuwagen durch digitale Plattformen, wie mobile.de oder Auto-Scout24 verändern. Die Hersteller selbst drängen mit eigenen Plattformen für den Verkauf auf den Markt und werden somit zum Direktanbieter. All das wird zur Herausforderung für die hiesigen Autohäuser und ihre Beschäftigten.“

Nach Einschätzung Stasseks fehlen den Kfz-Betrieben in der Region vielfach langfristige Strategien für den Strukturwandel und Zukunftsinvestitionen: „Arbeitgeber müssen umgehend die Entwicklung von Unternehmensstrategien unter Einbindung von Betriebsräten und Beschäftigten in Angriff nehmen. Gute tarifliche Regelungen im Flächentarifvertrag steigern darüber hinaus die Attraktivität des Kfz-Gewerbes für qualifizierte und motivierte Fachkräfte. Schließlich geht es darum, dem Fachkräftemangel entgegen zu wirken und eine hochwertige Aus- und Weiterbildung zu garantieren, um somit die Gestaltung guter Arbeitsbedingungen für eine attraktive Belegschaft voranzutreiben.“

Gut ausgebildete und motivierte Belegschaften 
Matthias Disterheft, Geschäftsführer der IG Metall Wolfsburg, stellt fest: „In zehn Jahren werden wir deutlich weniger Beschäftigte in den Kfz-Betrieben haben. Digitalisierung wird die Beschäftigung im Backoffice reduzieren. Und der Onlinehandel und Direktvertrieb der Hersteller wird sich auf die Verkäufer und den gesamten Vertrieb auswirken.“ Darüber hinaus ist die Leistungsverdichtung in den Werkstätten nach wie vor hoch, erläutert der Gewerkschafter: „Die Hersteller kalkulieren ihre Vorgabezeiten immer knapper. Daraus entsteht eine starke Arbeitsverdichtung, weil die Vorgabezeiten die Realität einfach nicht mehr widerspiegeln. Die Zitrone ist ausgepresst. Dagegen müssen wir uns wehren.“

Aus Mitbestimmungssicht müsse der „Erfolgsfaktor Mensch“ hervorgehoben werden: „Um in den Autohäusern der Region künftig gute Fachkräfte vorweisen zu können, müssen genügend neue Ausbildungsplätze geschaffen und die unbefristete Übernahme der Auszubildenden garantiert werden“, argumentiert Disterheft. „Darüber hinaus muss die betriebliche Weiterbildung gestärkt werden, um den Anforderungen des technologischen Wandels mit Fortbildungsmaßnahmen gerecht zu werden. Das Qualifikationsniveau, die Motivation und die Kreativität der Mitarbeiter sind aus unserer Sicht entscheidende Faktoren für Kundenbindung, Wachstum, Qualität und Innovationen im Kfz-Gewerbe.“ 

Tarifbindung und betriebliche Mitbestimmung
Eine stärkere Tarifbindung kann darüber hinaus einen wirkungsvollen Beitrag für die Zukunftsfähigkeit des Kfz-Gewerbes leisten, argumentiert Disterheft: „Gute tarifliche Regelungen im Flächentarifvertrag steigern die Attraktivität des Kfz-Gewerbes für qualifizierte und motivierte Fachkräfte, die immer stärker umkämpft sein werden“ und Stassek ergänzt: „Aus Kfz-Betrieben ohne Tarifbindung wird von einer erhöhten Fluktuation berichtet – die abwandernden Fachkräfte gehen bevorzugt zu tarifgebundenen Betrieben oder wechseln ganz in andere Branchen. Beschäftigte mit Tarifbindung haben bessere Arbeitsbedingungen, geregelte Arbeitszeiten und höhere Entgelte. Darüber hinaus steht der Ausbau der betrieblichen Mitbestimmung, unter anderem durch Betriebsratsgründungen in vielen Kfz-Betrieben an.“ 

Beide Gewerkschafter ermuntern deshalb Beschäftigte in Kfz-Betrieben: „Wir haben gerade Betriebsratswahlen durchgeführt. Etliche Betriebe des Kfz-Handwerks sind jedoch ohne Aktivitäten geblieben. Die IG Metall unterstützt Beschäftigte, wenn Interesse besteht, einen Betriebsrat zu gründen. Denn nur mit aktiven Betriebsräten schaffen Beschäftigte es, den Wandel der Arbeitswelt im Kfz-Handwerk so zu gestalten, dass sie auch morgen noch Beschäftigung und gute sowie faire Arbeit haben.“

Regionale Zusammenarbeit soll Kfz-Gewerbe stärken 
Entscheidend sind die Kompetenzen der Beschäftigten, die Qualifikation und Weiterbildung, die Qualität der Arbeit und die Arbeitsbedingungen, die Partizipationsmöglichkeiten und eine innovationsförderliche Unternehmenskultur.

Durch gemeinsame Tagungen und Informationsveranstaltungen werden in der Region auch künftig für Betriebsräte und Beschäftigte wichtige Trends aufgezeigt, Handlungsmöglichkeiten erörtert und Qualifikationsmaßnahmen zur Verfügung gestellt, um ihre Arbeitsplätze auch in diesem fundamentalen Wandel zu sichern und damit „ihre Zukunft im Autohaus der Zukunft“ zu sichern. Die Mitbestimmung der Beschäftigten im Kfz-Gewerbe in der Region ist ein Schlüssel dafür – sie wollen wir gemeinsam stärken und ausbauen.