3.800 Beschäftigte haben sich heute bei Warnstreiks in der Stahlindustrie in Salzgitter und Peine beteiligt

13.06.2022 | Salzgitter/ Peine – Die IG Metall Salzgitter-Peine hat heute die Beschäftigten der Salzgitter AG zu Warnstreiks aufgerufen. An den Warnstreiks in Salzgitter und Peine haben sich insgesamt 3.800 Beschäftigte beteiligt. Die Produktion bei der Salzgitter AG wurde für 6 Stunden unterbrochen.

Der Tarifkampf in der nordwestdeutschen Stahlindustrie spitzt sich zu: Auch die dritte Runde der Verhandlungen am Freitag brachte kein Ergebnis. Enttäuscht verließen die Mitglieder der IG Metall-Verhandlungskommission am Freitagabend den Verhandlungstisch. Die Arbeitgeber hatten nach stundenlangem Ringen ihr Angebot aktualisiert: Sie bieten jetzt 4,7 Prozent bei einer Laufzeit von 21 Monaten. „Das ist vorne zu niedrig und hinten zu lang“, sagt Knut Giesler, Bezirksleiter der IG Metall NRW. „Dieses Angebot ist zu weit von unserer Forderung entfernt, als dass wir zu einem Ergebnis hätten kommen können. Darum hat die Tarifkommission beschlossen, die Warnstreiks in der Stahlindustrie fortzusetzen und den Druck für die Forderungen der IG Metall zu erhöhen.“

Die IG Metall fordert in der Tarifrunde 8,2 Prozent auf 12 Monate. Darüber hinaus sollen die Tarifverträge zur Altersteilzeit, über den Einsatz von Werkverträgen und zur Beschäftigungssicherung für die rund 68.000 Beschäftigten, einschließlich der Übernahme für die Auszubildenden, verlängert werden.

„Das letzte Mal, forderte die IG Metall in 2008 in der Stahlindustrie eine Acht vor dem Komma. Aber wir leben auch in ungewöhnlichen Zeiten. Der Krieg in der Ukraine hat zur Folge, dass die Preise dramatisch gestiegen sind. Für das gesamte Jahr 2022 prognostiziert die EZB 6,1 Prozent Inflationsrate. Alles, was wir täglich brauchen, ist teurer geworden: Lebensmittel im Supermarkt, Sprit an der Tanke!“, erklärt Bezirksleiter Giesler. Deshalb legt die IG Metall im Arbeitskampf noch eine Schippe drauf: „Wir erhöhen jetzt den Druck noch einmal deutlich. Heute legen bundesweit Beschäftigte an allen Stahlstandorten die Arbeit nieder“, so der Verhandlungsführer.

„Die IG Metall ist in der Stahltarifrunde kampffähig. Das haben wir in den letzten Wochen und heute in Salzgitter bei der Salzgitter Flachstahl GmbH und in Peine bei der Peiner Träger Gesellschaft eindrucksvoll unter Beweis gestellt“, sagt Matthias Wilhelm von der IG Metall Salzgitter-Peine.

„Die Beschäftigten brauchen ein dauerhaftes Plus bei den Einkommen und die Stahlindustrie steht besser da als andere Branchen und kann auch höhere Einkommen zahlen. Deshalb sagen wir: Prozente nach oben, Laufzeit nach unten – das wollen wir. Und das kriegen wir – wenn wir noch mal alles geben“, so der Erste Bevollmächtigte. „Die Stahlbranche verdient gerade richtig viel Geld. Und an diesen Gewinnen wollen die Beschäftigten beteiligt werden. Denn die Beschäftigten haben während der Corona-Pandemie Kurzarbeit gemacht, als die Aufträge weggebrochen sind. Und dann haben sie Extraschichten geleistet, als die Aufträge wieder anzogen. Sie haben Verantwortung getragen. Aber Verantwortung ist keine Einbahnstraße. Mit dieser Erwartungshaltung geht die IG Metall nun in die vierte Verhandlung am 14. Juni. Nach den eindrucksvollen Warnstreiks erwarten wir am Dienstag ein konstruktives Verhalten der Arbeitgeber am Verhandlungstisch. 4,7 Prozent reicht den Beschäftigten in dieser Lage mit hohen Gewinnen, vollen Auftragsbüchern und stark steigenden Preisen nicht. Die Arbeitgeber sollten wissen: Bewegen sie sich nicht deutlich, dann sind die Stahlarbeiterinnen und Stahlarbeiter bereit, den Arbeitskampf spürbar auszuweiten.“

In den Betrieben ist die Kampfbereitschaft groß, berichten Betriebsräte und Vertrauensleute: „Die Arbeitgeber haben endlich verstanden: So billig kommen sie nicht davon. Das haben wir den massiven Arbeitsniederlegungen zu verdanken. Die Einmalzahlung ist vom Tisch. Nun bieten sie uns Prozente. Das ist ein erster Anfang. Jetzt brauchen wir die volle Unterstützung aus den Betrieben, damit sich die Arbeitgeber bewegen“, erläutert Hasan Cakir, Konzernbetriebsratsvorsitzender der Salzgitter AG. „Wir haben eine hohe Mobilisierung, die Anlagen standen still, die Stimmung ist gut, die Beschäftigten stärken ihrer IG Metall den Rücken. Wir werden das Werk auch weiterhin lahmlegen“, kündigt Gabriele Handke, Betriebsratsvorsitzende der Peiner Trägergesellschaft an. „Ein großes Dankeschön geht an alle, die sich beteiligt haben. Ihnen ist es zu verdanken, dass sich jetzt am Verhandlungstisch etwas bewegt. Wir geben weiterhin Vollgas“, sagt auch Nils Knierim, Vertrauenskörperleiter bei Salzgitter Flachstahl, „das ist unsere Antwort auf die Provokation der Arbeitgeber.“

Seit Ende der Friedenspflicht haben sich in der ersten Warnstreikwelle mehr als 16.000 Stahlbeschäftigte an den Warnstreiks beteiligt. Vielerorts standen die Anlagen still. Das schmerzt die Unternehmen, denn derzeit verdienen die Stahlunternehmen richtig gutes Geld – die Preise für Stahl erreichen Rekordniveau. „Die bisherigen Warnstreiks haben den Arbeitgebern bereits richtig weh getan“, erklärt Verhandlungsführer Giesler abschließend. „Jetzt werden wir ihnen weitere Nadelstiche versetzen. Morgen gehen die Verhandlungen in die vierte Runde. Dann entscheidet sich, ob wir ein Ergebnis erzielen – oder ob wir die Eskalation noch steigern müssen.“

ZEITPLAN

  • 13.05.2022: Erste Verhandlung mit den Arbeitgebern
  • 23.05.2022: Zweite Verhandlung
  • 31.05.2022: Ende der Friedenspflicht
  • 10.06.2022: Dritte Verhandlung

SO GEHT ES WEITER

  • 13.06.2022: Bundesweite Warnstreiks
  • 14.06.2022: Vierte Verhandlungsrunde mit den Arbeitgebern